ADHS Grundwissen

Hier findet ihr kurz und knapp das Wesentlichste zu ADHS und ADS zusammengefasst. Wenn ihr etwas Bestimmtes wissen wollt und nicht findet, schreibt mich unter anna@adhshilfe.net an. Detailinformationen gibt es vor allem in den Podcasts und den dazugehörigen, herunterladbaren Leitfäden in PDF-Form, die wöchentlich erscheinen.

Diejenigen von euch, die keine wissenschaftlichen Abhandlungen zu ADHS lesen wollen, können außerdem das gesamte ADHS Grundwissen kompakt in leicht verständlicher Romanform in „Ich dreh gleich durch! Tagebuch eines ADHS-Kindes und seiner genervten Leidensgenossen“ (= Max I) sowie in „Schon wieder hat Max … Therapie, Medikation und andere komische Wörter“ (= Max II) nachlesen.

Die Symptome im Überblick

Die Symptome der ADHS werden in zwei international anerkannten Diagnosemanualen beschrieben. Die wichtigsten davon habe ich hier für euch zusammengefasst:

Unaufmerksamkeit

Die Kinder

  • sind unaufmerksam gegenüber Details oder machen Sorgfaltsfehler.
  • können meist nur schwer längere Zeit die Aufmerksamkeit aufrechterhalten.
  • scheinen häufig nicht zuzuhören, wenn sie angesprochen werden.
  • können oft Erklärungen nicht folgen.
  • können ihre Aufgaben oder Pflichten oft nicht organisieren oder erfüllen.
  • beschäftigen sich nur widerwillig mit geistig fordernden Aufgaben.
  • verlieren häufig Gegenstände und sind vergesslich.
  • lassen sich durch äußere Reize leicht ablenken.
  • sind bei Alltagstätigkeiten häufig vergesslich.

Hyperaktivität

Die Kinder

  • zappeln häufig mit Händen oder Füßen oder rutschen auf dem Stuhl herum.
  • verlassen ihren Platz in Situationen, in denen Sitzenbleiben erwartet wird.
  • laufen häufig herum oder klettern in unpassenden Situationen.
  • haben häufig Schwierigkeiten, sich ruhig zu beschäftigen.
  • sind häufig „auf Achse“ oder handeln, als wären sie „getrieben“.
  • reden häufig übermäßig viel.

Impulsivität

Die Kinder

  • platzen mit den Antworten heraus, bevor die Frage zu Ende gestellt ist.
  • können nur schwer warten, bis sie an der Reihe sind.
  • unterbrechen und stören andere häufig.

Mehr zu den Symptomen in ihrer vollen Auflistung hier.

Aber das sind längst nicht alle Auffälligkeiten!

Neben den oben aufgelisteten Symptomen gibt es noch eine Reihe anderer Auffälligkeiten bzw. mehrere typische Merkmale, die bei Kindern mit ADHS häufig zu finden sind:

Kinder mit ADHS

lügen oft

neigen zu Extremen

zer-diskutieren alles

erröten leicht

können nicht verlieren

haben ein schlechtes Zeitgefühl

kommen eher mit jüngeren/älteren Kindern zurecht

kommen oft zu spät

Außerdem sind Kinder mit ADHS oft:

ängstlich

chaotisch

sprunghaft

distanzlos

der Klassenclown

ungeduldig

unordentlich

sehr sensibel (Haut und Seele)

geräuschempfindlich bei gleichzeitiger Produktion ständiger eigener Geräusche

uvm.

Eine sehr hilfreiche Checkliste von diesen und weiteren Auffälligkeiten findet sich in Form eines Beobachtungsbogens für Eltern bei Neuhaus (2016) auf den Seiten 132-138.

Außerdem bekommt ihr sehr genaue Beschreibungen und Erklärung aller Symptome und Besonderheiten in den Podcast-Episoden 94-99.

Aber es gibt auch viele positive ADHS-typische Eigenschaften, mit denen uns betroffene Kinder oft ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Die findet ihr sowohl hier als auch in den Podcast-Episoden 7 und 8.

Welche Ursachen hat ADHS?

Die Forschung konnte die Ursachen[1] von ADHS zwar bisher nicht gänzlich klären, mehrere tausend Studien weisen aber sehr eindeutig darauf hin, dass in den Gehirnen von Menschen mit ADHS vieles anders läuft als im Gehirn von nicht Betroffenen.

„Und was ist mit der Erziehung?“, werden sich jetzt manche fragen. „Meine Schwiegermutter/Nachbarin/die Lehrerin sieht nämlich dort immer die Auslöser.“ Lest mehr dazu hier.

Ist ADHS vererbbar?

Sehr vieles deutet darauf hin. Die Literatur ist voll von Studien zur Vererbbarkeit von ADHS. Ein Autor spricht im Jahr 2010 von rund 1.800 Studien, die allein zur Genetik der ADHS bis dahin veröffentlicht worden sind.[2]

Die Ergebnisse von all den Studien sind wirklich eindeutig und fast verblüffend: „In bis zu 95% der Fälle wird ADHS auf eine genetische Ursache zurückgeführt. Mindestens 45% der Eltern von Kindern mit ADHS haben ebenfalls ADHS. Das Risiko für ADHS für Geschwister ist drei- bis fünffach erhöht."[3]

Wie wird ADHS diagnostiziert?

Die Diagnose einer ADHS ist aufwendig und langwierig – wenn sie so durchgeführt wird, wie die S3-Leitlinie 2018 das fordert. Eine Reihe von Fähigkeiten und Verhaltensweisen des Kindes wird dabei mit den verschiedensten Verfahren getestet.

Aber auch Seh- und Hörtests werden durchgeführt. So können andere Ursachen für das auffällige Verhalten bzw. die Defizite ausgeschlossen werden. Außerdem sollten die Eltern und andere Bezugspersonen Fragebögen ausfüllen, damit der Diagnostiker ein breites Bild bekommt.

Und wer ist der Diagnostiker? Auch hier ist die S3-Leitlinie sehr klar: Diagnosen dürfen nur von Personen durchgeführt werden, die dazu nachweislich befähigt sind. Idealerweise sollte das sogar jemand sein, der nicht nur seiner Berufsbezeichnung wegen dazu befähigt ist, ADHS zu diagnostizieren, sondern der sich innerhalb dieser ausgewiesenen Berufskategorien auf ADHS spezialisiert hat.

Welche Therapiemöglichkeiten sind bei ADHS sinnvoll?

Ihr werdet es schon vermuten: Diese Frage global zu beantworten, ist unmöglich. Wenn euch jemand also erklären will, seine Therapie oder sein Produkt sei das einzig wahre, dann solltet ihr mehr als skeptisch sein.

Denn welche Therapien für ein Kind mit ADHS passen, hängt von mehreren Dingen ab:

  • vom Schweregrad der ADHS
  • davon, wo das Kind die größten Defizite bzw. Probleme hat
  • welche dieser Defizite beim Kind und seiner Familie die meisten Probleme verursachen
  • wie alt das Kind ist, denn je älter ein Kind bei der Diagnose ist, desto gefestigter sind meist Verhaltensmuster und Familiendynamiken
  • wie groß der Leidensdruck beim Kind und in der Familie insgesamt ist (je größer, desto eher werden Medikamente fixer Bestandteil im Therapiemix sein)
  • und von vielen Dingen mehr

Eines aber schon vorweg: Ein absolutes Muss für jede Familie mit ADHS ist ein gutes Elterntraining. Denn die Beziehung zwischen Eltern und Kind ist der Nährboden, auf dem alle anderen Maßnahmen erst keimen können. Es ist daher die einzige Therapieform, die nie falsch sein kann.

Eines der umstrittensten Themen in der ADHS-Szene ist das der Medikamente, denn hier geht es um eine Angelegenheit, bei der man als Papa oder Mama keinen Fehler machen möchte. Deshalb lege ich euch meine Blogposts sowie die Podcast-Episoden 89, 55, 114-118, 1-4, 10-12 und 67-69 (unbedingt in dieser Reihenfolge!) dazu ganz dringend ans Herz. Ich bin sicher, wenn ihr die gelesen bzw. gehört habt, wird euch die Entscheidung für oder gegen Tabletten wesentlich leichter fallen.

Ergänzend zu sämtlichen Therapieüberlegungen möchte ich euch ein Buch besonders an Herz legen: „Komm das schaffst du!“, von Britta Winter, denn es enthält eine Fülle an Alltagstipps, die Gold wert sind.

Einen guten Überblick über die gängigsten Therapien gibt es außerdem in Kapitel 5 von "Schon wieder hat Max ...".

Welche Störungen treten häufig gemeinsam mit einer ADHS auf?

ADHS bzw. ADS ohne Begleitung von anderen Störungen gibt es leider nur selten.[4] Zwischen 70 und 90 Prozent der Kinder mit ADHS / ADS haben noch eine oder gleich mehrere weitere Störungen.[5] Hier die wichtigsten davon:

  • Störung des Sozialverhaltens (Kinder, die sich sozial auffällig verhalten, z. B. Probleme bei der Integration in Gruppen haben)
  • Oppositionelle Störungen des Sozialverhaltens (Kinder, die sich allem widersetzen, kein Regelverhalten zeigen, auch aggressiv werden)
  • Depressive Störungen
  • Angststörungen (z. B. Angst im Dunkeln)
  • Lernstörungen, Teilleistungsschwächen (Lese-Rechtschreibschwäche bzw. Rechenschwäche)
  • Tic-Störungen (ständig mit den Augen blinzeln, Schulterzucken, Räuspern etc.)
  • Motorische Entwicklungsstörungen (vor allem in der Feinmotorik, z.B. beim Schleifenbinden oder Stifthalten und der Koordination)
  • Auditive Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörungen (Gehörtes wird nicht „richtig“ verarbeitet bzw. interpretiert und abgespeichert)
  • Asperger-Syndrom
  • Entwicklungsstörungen der Sprache
  • Einnässen und Einkoten
  • Essstörungen[6]

Viele dieser Störungen können vermieden werden, wenn die ADHS rechtzeitig erkannt und behandelt wird. Hier gilt eindeutig: Je früher Kinder mit ADHS Hilfe bekommen, desto geringer die Gefahr für diese sogenannten komorbiden Störungen!

Wenn ihr also den Verdacht habt, euer Kind könnte tatsächlich ADHS haben, dann zögert bitte nicht damit, euch einen Termin für eine Diagnose auszumachen. Die Wartezeiten auf Termine sind in der Regel ohnehin sehr lange.

Mit welchen anderen Krankheiten oder Störbildern kann ADHS verwechselt werden?

Verschiedene Erkrankungen können oft zu Verhaltensweisen führen, die manchmal fälschlicherweise als ADHS-Symptome interpretiert werden.

Dazu zählen Epilepsie, Schilddrüsenfunktionsstörungen, Manie, Schizophrenie, Erschöpfungszustände, Stoffwechselstörungen, Angststörungen, das Fragile-X-Syndrom, FASD (Fetale Alkohol Spektrum Störung) und einige andere mehr.

Einige ADHS-ähnliche Symptome können aber auch durch bestimmte Lebensumstände ausgelöst werden. Kinder,

  • die keine wertschätzende, klare Erziehung erfahren,
  • denen die Bindung zu wenigstens einem verlässlichen Erwachsenen fehlt,
  • die traumatische Erfahrungen gemacht haben,
  • die unter zu hohem Leistungsdruck stehen,
  • die in der Schule unter- oder überfordert sind
  • die gemobbt werden etc.

weigern sich oft, Regeln zu akzeptieren, widersetzen sich den Aufforderungen von Erwachsenen oder zeigen aggressives Verhalten. Ein Grund mehr dafür, dass nur speziell ausgebildete Spezialisten eine ADHS-Diagnose vornehmen sollten.

Kann eine ADHS durch falsche oder mangelnde Erziehung verursacht werden?

Eine „falsche“ oder fehlende Erziehung bzw. sehr belastende Erlebnisse oder Lebensumstände verursachen die ADHS zwar nicht, können sie aber deutlich verschlimmern. Daher ist für ein Kind mit ADHS eine wertschätzende und klare Erziehung so überaus wichtig. Hier können v.a. die Podcasts zum Thema „Erziehung“ helfen.

In diesen Podcasts findet ihr auch Näheres zum Zusammenhang zwischen ADHS und Symptomen, die durch Begleitumstände verstärkt werden.

Kinder mit ADHS als Schwester / Bruder

Ja, sie sind nicht einfach, unsere „besonderen“ Kinder: Sie meinen meist alles bestimmen zu müssen, wissen immer alles besser, sind kaum kritikfähig, explodieren bei der kleinsten Kleinigkeit, mischen sich überall ein, verbreiten unentwegt Chaos und der Schalk sitzt ihnen im Nacken – peinliche Situationen vorprogrammiert.

All das sind denkbar schlechte Voraussetzungen, die Beziehung zu Schwester oder Bruder reibungslos und entspannt zu halten. Daher klagen Eltern von Kindern, von denen eines ADHS hat, bei Weitem öfter über Streit zwischen ihren Sprösslingen.

Tipps und Tricks, wie ihr für mehr Entspannung zwischen den Geschwistern und dann auch im Familienalltag sorgen könnt, erfahrt ihr in den Podcast-Episoden 34 - 37.

Haben Kinder mit ADHS Freunde?

Durch ihr impulsives und hibbeliges Verhalten finden Kinder mit ADHS oftmals in Gruppen keinen Anschluss.

Im Kindergarten stören sie andere Kinder häufig beim Spielen, fallen im Stuhlkreis immer wieder negativ auf, sind ungeschickt und halten meistens Spielregen nicht ein.

In der Schule verschärfen sich durch das lange Still-Sitzen-Müssen die Probleme noch. Dazu kommt, dass die Kinder nicht die Leistungen zeigen, die sie aufgrund ihrer Intelligenz eigentlich erbringen könnten.

Denn entweder sie träumen vor sich hin oder aber sie wissen gar nicht, worauf sie sich als erstes konzentrieren sollen: auf das, was die Lehrerin sagt, auf den Nachbarn, der grade einen Stift sucht oder auf das Vögelchen vorm Fenster.

So sinkt ihr Selbstwert von Monat zu Monat und irgendwann entdecken sie für sich die Rolle des Klassenclowns oder des nach außen hin Coolen, der sich auch gerne mal mit Schimpfwörtern oder den Fäusten verteidigt. Oder aber sie ziehen sich vollkommen in sich zurück. Beides ist nicht unbedingt der Königsweg, um Freunde zu finden.

Und so enden diese nach außen so schroff wirkenden, in Wahrheit aber meist zart beseelten Kinder oft als Außenseiter.

Wie kommen Kinder mit ADHS in der Schule zurecht?

Leider meist nur sehr schwer. In der Schule ist es geradezu so, als würde man über sämtliche Symptome der ADHS ein Vergrößerungsglas halten.

Die Konzentration (auf meist Uninteressantes) 45 Minuten lang halten zu können, ist für betroffene Kinder kaum möglich. Dasselbe gilt fürs Stillsitzen.

Dann noch die vielen Situationen, in denen den Kindern ihre Impulsivität ständig in die Quere kommt: Sie reden dazwischen, laufen im Sportunterricht einfach los, machen Unsinn, weil sie der Schalk packt, ecken bei Klassenkameraden an …

Erschwerend kommt hinzu, dass viele Lehrkräfte kaum über ADHS Bescheid wissen, weil das Thema in den meisten Ausbildungen nur gestreift wird. Und diejenigen, die sich tatsächlich für die betroffenen Kinder einsetzen und um sie bemühen, kämpfen oft gegen das restliche Kollegium oder die Schulleitung.

Hausaufgaben und Lernen mit einem Kind mit ADHS

Nach dem Unterricht geht für viele Kinder mit ADHS – und deren Eltern – der schulische Horror zu Hause weiter:

  • mit Hausaufgaben, die zur nervlichen Zerreißprobe werden,
  • mit Lernen für die nächste Klassenarbeit begleitet von Dauermotzen, Verzweiflung und Aggressionen,
  • mit Einräumen des Ranzens für den nächsten Tag, das trotz Rauslegen der Stundentafel oder eines „Packplans“ einfach nicht klappen mag etc.

Täglich Rambazamba, lautstarke Diskussionen, Bocken, Tränen – das ganze Programm.

Wer hier wirklich grundlegend etwas ändern möchte, dem empfehle ich aus tiefstem Herzen den Ratgeber „Erfolgreich Lernen mit ADHS“ – meiner Meinung nach das derzeit beste Buch zu diesem Thema. Darin findet ihr nicht nur hunderte hilfreiche Tipps, sondern auch herzerwärmende Überlegungen und Anleitungen zu einer gelungenen Eltern-Kind-Interaktion in der Lernsituation.

Außerdem werde ich hier laufend Blogposts und Podcasts zu dem Thema veröffentlichen.

Und da sind sie endlich: die vielen positiven Eigenschaften von Kindern mit ADHS!

Immer wieder hört man von geplagten Eltern, ihr Kind sei so extrem anstrengend, weil …

Aber nachdem sich die Eltern dann ihren Frust von der Seele geredet haben, kommt meist Folgendes: „Dabei kann er so lieb und hilfsbereit sein. Und wie fürsorglich er mit der kleinen Nichte / der Katze / dem Nachbarshund umgeht … das passt so überhaupt nicht dazu, wie aggressiv er manchmal werden kann.“

Ihr kennt das? Ja, genau so ist es eben bei den meisten Kindern mit ADHS. Dass das kein Widerspruch ist, ist in der Literatur immer wieder zu lesen. Und dafür gibt es auch eine Fülle von Gründen.

Hier aber jedenfalls schon mal die häufigsten positiven Eigenschaften von Kindern und Jugendlichen mit ADHS. Sie sind meist überaus:

begeisterungsfähig

kreativ

neugierig

wissbegierig

empathisch

hilfsbereit

tierlieb

sozial

loyal

humorvoll

gutmütig

nicht nachtragend

gute Beobachter

Stehaufmännchen

Außerdem:

  • sind sie sensibel für Stimmungen,  
  • durchschauen andere in Sekunden
  • sind Gerechtigkeitsfanatiker
  • haben einen starken Willen
  • setzen sich für Schwächere ein
  • haben oft ungewöhnliche Ideen
  • und können sich stundenlang intensiv mit Dingen beschäftigen, die sie interessieren (in der Fachwelt nennt man das „hyperfokussieren“)

Mehr zu den positiven Eigenschaften dieser Kinder erfahrt ihr in Podcast 7 und 8, sowie Blogposts 7 und 8.

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