Dieser Beitrag ist Teil 3 einer vierteiligen Serie zum Thema „Medikamente für Kinder mit ADHS“ (Hier geht es zu Teil 1 und Teil 2). Schon die Tatsache, dass die medikamentöse Behandlung von betroffenen Kindern nicht in einem einzigen Blogpost abgehandelt werden kann, zeigt die Vielschichtigkeit dieses Themas.
Eltern sind verständlicherweise gerade in diesem Punkt sehr verunsichert und haben Angst, falsche Entscheidungen zu treffen. Darum möchte ich mir für die Beantwortung so vieler Fragen wie möglich wirklich ausreichend Zeit und Raum nehmen.
Heute soll es um den Einfluss gehen, den das Kind selbst und sein Umfeld auf die Wahl der Therapien und den Behandlungsverlauf haben. Dabei gibt es mehrere wichtige Faktoren, die eine Rolle spielen. Der erste sind die
Grade der ADHS
Es wird in der Wissenschaft sowie in der S3-Leitlinie zwischen leichter, mittelgradiger und schwerer ADHS unterschieden. Die genauen Unterschiede erspare ich euch an dieser Stelle, aber wer mehr wissen möchte, kann das hier nachlesen.
Zur Frage, bei welchem Grad der ADHS ein Kind medikamentöse Unterstützung bekommen sollte, besagt die Leitlinie, dass bei leichter ADHS „primär psychosozial […] interveniert werden soll“. Das heißt, dass psychologische, psychotherapeutische und soziale Maßnahmen zur Verminderung der ADHS-typischen Symptome bzw. anderer Begleitstörungen (Komorbiditäten) zum Einsatz kommen sollen. In Einzelfällen können auch Medikamente angeboten werden.[1]
Bei moderater, also mittelgradiger ADHS, sollen je nach individueller Situation zuerst alle Beteiligten ausführlich über ADHS informiert werden. In der Regel sind das das Kind selbst, seine Eltern, im Idealfall auch Geschwister und das direkte Umfeld wie Lehrkräfte oder Kindergartenpädagogen. Außerdem sollten sie erfahren, wie man mit den betroffenen Kindern umgeht. Darüber hinaus sollten intensive psychologische, psychotherapeutische und soziale Maßnahmen oder Medikamente oder beides zum Einsatz kommen.[2]
Bei schwerer ADHS sollten zuerst ebenfalls der Betroffene und sein Umfeld eingehend über ADHS, die Ursachen und den Umgang mit dem Syndrom informiert werden und dann eine Behandlung mit Medikamenten erfolgen. Parallel dazu werden wieder psychologische, psychotherapeutische und soziale Interventionen empfohlen.[3]
Das heißt, egal welcher Schweregrad, sollte 1. das Problem immer von mehreren Seiten angegangen werden, und ist 2. die Basis immer die ausführliche Information aller Beteiligten – bei den Eltern im Idealfall mittels eines Elterntrainings, in dem Eltern lernen, wie sie ihr Kind mit ADHS gut begleiten können.
Denn das Kind mit ADHS ist keine Insel, sondern lebt immer eingebunden in einen Familienverband (wie auch immer diese „Familie“ aussehen mag: „normale Familie“, alleinerziehender Elternteil, bei Oma und Opa, …). Zudem verbringt es große Teile seiner Zeit auch in der Schule sowie Vereinen etc. Daher muss auch das Umfeld dort bei der Entscheidung für oder gegen Medikamente immer mit berücksichtigt werden.
Und aus diesem Umfeld können sich sowohl schützende als auch die ADHS verstärkende Umstände ergeben:
Schützende Faktoren:
Die ADHS-Symptome verstärkende Faktoren
Ihr ahnt es schon: Je mehr protektive, also schützende Faktoren einem Kind zuteilwerden, desto eher kann man auf Medikamente verzichten. Je mehr symptomverstärkende Umstände es im Leben eines Kindes mit ADHS gibt, desto eher werden Medikamente zum Mittel der Wahl.
Aber Achtung: Steinigt euch nicht, wenn euer Kind Medikamente bekommt oder bekommen soll, wo ihr doch alles, wirklich alles tut, um euer Kind bestmöglich zu unterstützen! Ich kenne viele Familien, die unendlich viel Qualitätszeit mit ihren Sprösslingen verbringen, den Medienkonsum auf einem vernünftigen Level halten, intensiv an der Beziehung zu ihren Kids arbeiten – kurz: einfach ihr Letztes geben – und die Kinder brauchen trotzdem Medikamente.
Denn: Familiäre Faktoren sind ein wichtiger Einfluss, aber nicht der einzige!
Weitere Einflussfaktoren
Wie sich eine ADHS schlussendlich äußert, hängt auch noch von anderen Dingen ab:
Alter Falter, Anna, jetzt komm doch endlich zum Punkt und sag uns, ob wir unseren Kindern Medikamente geben sollen oder nicht! Sorry, auch heute kommen wir noch nicht zur abschließenden Behandlung dieser Frage (dafür in Teil 4 – versprochen!). Aber nach dem, was ihr bisher gehört habt, ist euch ohnehin schon klar, dass die Antwort nicht eindeutig ausfallen wird, oder?
In der Zwischenzeit könnt ihr mir ja schon mal in den Kommentaren eure Überlegungen dazu schreiben.
Mein Sohn ist jetzt 15 und nimmt Medis seit er 6 ist. Anfangs wegen seiner Hippeligkeit , Unruhe, Aggression und fehlender Konzentration. Seit 2 Jahren nimmt er sie nur noch in der Schulzeit da sein einziges Problem nur noch die fehlende Konzentration ist. Die restlichen Symptome sind verschwunden, kann mit der Pubertät zusammen hängen, da sich das Gehirn neu vernetzt.
Liebe Silke, super, dass du diese Information mit uns geteilt hast. Die Erfahrung zeigt auch, dass sich die Symptome bei gut begleiteten Kindern/Jugendlichen mit der Zeit bessern, und die Medikamente reduziert werden können. Die meisten brauchen sie irgendwann gar nicht mehr, manche nehmen sie ab und an mal wieder, wenn es besondere Phasen in ihrem Leben gibt, die Spätdiagnostizierten nehmen sie meist länger … aber wie auch im Blog geschrieben: das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich.
Alles, alles Gute für deinen Sohn und dich!